Neuerdings vegan - Kapitel 1 von SoundsOfShelter

Autor: SoundsOfShelter
Titel: Neuerdings vegan - Kapitel 1
Kategorie: Biografien
publiziert am: 20.01.2012 13:27
Inhalt:

Der Jetzt-check: ich bin zu Hause. Seit etwa einer viertel Stunde. Es ist 00:37. Gina hat sich - wie immer - ihr kleines süßes Labradorärschchen abgewedelt vor Freude, dass ich wieder da bin. Wahnsinn, jeder dieser vielen Menschen, die mir tagtäglich begegnen und mir sagen, dass Gina mit Abstand das schönste Labradormädchen mit dem niedlichsten Gesichtchen und dem perfektesten Körperbau ist, dass sie jeeemals gesehen haben, hat so was von recht!

Mal prüfen, was im Fernsehen läuft, denn an schlafen ist - wie immer - noch lange nicht zu denken. Und - wie eigentlich auch immer - läuft nur Schrott. Auf Kabel 1 laufen gerade die letzten Minuten von „Die Maske des Zorro“ - Antonio Banderas, Katherine Zeta-Jones und einer der Götter des Schauspiel-Olymps Anthony Hopkins! Danach kommt „Dead Birds“ - mal schauen worum es da geht. Im TV Text steht: „Alabama zur Zeit des Bürgerkrieges. Nachdem William und seine Gang eine Bank überfallblablabla... - wen interessiert´s. „Wuff wuff“ Mein Handy bellt.

Eine SMS von Peter: „Sag mal, hast Du jetzt die Geige?“ Unwillkürlich muss ich laut auflachen. Jaaa, die Geige, die Du gefunden hast, ist bei mir. Ich habe sie beim Aussteigen aus Deinem Auto mitgenommen, weil ich so fasziniert von diesem Instrument bin, ich habe Dir sogar damit zu gewunken und Du hast es nicht bemerkt – so wie die meisten Menschen gar nicht bemerken, was um sie herum passiert, auch wenn sie es direkt vor Augen haben – Gott steh den Dingen bei, die wir Menschen nicht direkt vor Augen haben. Sie existieren quasi gar nicht. Dinge wie die Massentierhaltung – um nur eines von viiielen Missständen dieser Welt zu nennen. Und was passiert denen, DIE sie bemerken? Sie ändern ihre Lebensweise, verzichten von jetzt auf gleich auf Fleisch, Kuhmilch, Eier und sämtliche tierischen Produkte und werfen demonstrativ alle noch im Haus vorhandenen Lebensmittel tierischer Abstammung in den Müll, inklusive der gefrorenen Fischfilets aus dem Tiefkühlfach – so wie ich vor ziemlich genau zwei Wochen - und sie führen heftige Diskussionen mit denen, die diese erwähnten Missstände nicht bemerken WOLLEN - so wie ich mit Peter vor ziemlich genau zwei Stunden.

Peter ist einer der wunderbarsten, intelligentesten, warmherzigsten und musikalischsten Menschen, die ich kenne. Drei Jahre lang haben wir versucht, unsere Liebe zu einander in eine Beziehung zu packen. Kläglich gescheitert. Doch ohne einander – geht gar nicht! Nun lieben wir uns eben ohne „Beziehung“. Peter gibt seit Jahren Gesangs- und Gitarrenunterricht und ist seit zwei Wochen auch Musiklehrer an zwei Grundschulen der Stadt. Er ist sich seiner bedeutenden Rolle in den jungen Leben dieser wissbegierigen und führungsbedürftigen Kinder sehr wohl bewusst und sein Talent, sein Engagement sowie sein Herzblut bei der Leitung der nächsten Generationen, die diese Welt bewegen werden, ist mehr als vorbildlich. Umso mehr erschreckte mich sein Standpunkt zum erwähnten existiert-gar-nicht-Thema: „Ich hab einfach keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, wie es irgendeinem Rind geht! In meiner täglichen Arbeit leiste ich genug soziale Arbeit. Ich arbeite hart, um dazu beizutragen, aus diesen Kindern gute Menschen zu machen und überlege mir daher gut, wie ich meine spärlich bemessene, freie Zeit verbringe. Und bevor ich mich vor den Rechner setze, um mir im Internet Bio-Fleisch, das frei von antibiotika-resistenten Keimen ist, von einem Bio-Bauernhof zu bestellen, gehe ich lieber zu unserem Stamm-Griechen und mache mir bei einem köstlichen Steak und einem guten Drink einen entspannten Abend! Versteh mich nicht falsch, ich finde es gut, was Du da machst, das ist echt toll, dass es Leute wie Dich gibt, solange Du nicht von mir verlangst, das auch zu tun. Versteh´ es doch, ihr Fanatiker seid Minderheiten, Guerilla-Kämpfer, allein auf weiter Flur.. Und was bringt es? Was kann einer allein schon bewirken? Und überhaupt: engagiert Euch doch lieber für wichtigere Dinge, wie das Schulsystem, die Kindergärten und das Gesundheitssystem, nach dem Omas es sich nicht mehr leisten können, zum Hausarzt zu gehen und deshalb in ihren Wohnungen dahin vegetier...“ Ok, was genug ist, ist genug! „Ich kann einfach nicht fassen, das aus Deinem Mund zu hören! Das ist das mit Abstand Engstirnigste und Dümmste, das Du jemals gesagt hast, jeemals!!“

Wutentbrannt verlasse ich den Tresen und hinterlasse diesen, Peter wohl bekannten und deutlich vernehmbaren, Schwefelgeruch aus der Hölle, die sich gerade aufgetan hat. Um die Supernova zu verhindern, flüchte ich in den für die Gäste verborgenen Flur des mexikanischen Restaurants. In diesem „unsichtbaren“ Flur dürfen die Stammgäste des Restaurants, das eine gleichermaßen wie ich (laut Peter) hunde“fanatische“ Freundin führt, hinter dem Rücken der Rauchverbotsgesellschaft noch unbehelligt und im Warmen rauchen. Tja, das war´s dann wohl erst mal mit dem Rauchen abgewöhnen... Kaum habe ich mir eine meiner Menthol-Zigaretten angesteckt und einen tiefen Zug genommen, da öffnet sich die Tür hinter mir und ich höre Peters irritierte Stimme: „Was ist denn jetzt wieder los? Was ist das Dümmste, das ich jemals gesagt habe??“

„Also erstens“ schmettere ich ihm entgegen, „kann ich nicht glauben, dass Du Dich der selben total verblödeten Plattitüden bedienst, die Dich selbst so sehr annerven: von wegen, was kann einer allein denn schon bewirken? Das ist ja wohl die dümmste und bequemste Ausrede, die es gibt! Das ist genau die Denkweise, die immer wieder nur zu dem einem Ergebnis führt: nämlich zu gar keinem! Ich denke: es ist nicht „nur einer“, sondern es ist „einer mehr“, der sich für eine gute Sache einsetzt! Und erzähl mir doch nicht, dass Du „keine Zeit“ hast – dass es Dich schlichtweg nicht interessiert, trifft es doch eher, also spar Dir die Ausrede!! Und abgesehen davon, ist es doch scheißegal für was man sich engagiert – ob für den Menschen, für das Tierreich oder die Umwelt – Hauptsache man engagiert sich überhaupt!! Traurig genug, dass dieses Engagement überhaupt von Nöten ist! Kein Mensch kann auf allen Baustellen dieser Welt gleichzeitig schaffen! Und mir dann vorzuwerfen, ich solle mich doch lieber um Deines Erachtens „Wichtigeres“ kümmern? Kein Mensch wird in Deutschland so grausam behandelt, wie diese misshandelten, gequälten Lebewesen in der Massentierhaltungsindustrie – und das auch noch ganz unbehelligt und legal!!
Der Mensch als höchstes Wesen der Evolution hat nun mal die verdammte Pflicht, sich um seinen Lebensraum mit allem, was sich in ihm befindet zu kümmern und jedem Leben mit Würde, Mitgefühl und Respekt zu begegnen! Und das betrifft uns ALLE! Egal wie beschäftigt wir mit unserem Leben sind. Kein Mensch denkt an morgen, an übermorgen, daran, dass er Kinder hat und diese eines Tages auch wieder Kinder bekommen und so weiter. Jeder denkt nur an sich. Ha, noch nicht einmal das. Wir ernähren uns gedankenlos und wider unserer Natur, konsumieren wie selbstverständlich täglich im Übermaß tierische Produkte zum Spotpreis – was natürlich niemanden bockt, denn es geht uns ja gut, richtig? Tjaa, und wenn uns dann vollkommen überraschend irgendeine Mangelerscheinung überkommt, dann gibt es ja reichlich Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate, stimmt´s? Also, wenn Dich schon nicht das unbeschreibliche Elend dieser Tiere interessiert, ist denn Deine eigene Gesundheit kein Argument? Ich weiß ja, in all den Jahren, die ich Dich kenne, warst Du so gut wie nie krank, aber ist es Dir echt egal, dass Du Dich tagtäglich von verseuchtem, krankheitsverursachendem Dreck ernährst, für den auch noch unschuldige Lebewesen elendig gelebt haben und gestorben sind?? Und mich auch noch abfällig als Guerilla-Kämpfer zu bezeichnen!“
Nach einem längeren und Nerven strapazierenden Schlagabtausch kommen Peter und ich – wie immer – wieder auf einen friedlichen gemeinsamen Nenner.
„Das war ja auch gar nicht abwertend gemeint!“ versucht Peter zu beschwichtigen. „Ich selbst bin ja auch so ein Guerilla-Kämpfer, der sich bemüht, der Jugend ein ethisches Vorbild zu sein! Wir alle, die wir uns bemühen, etwas Gutes in dieser Welt zu hinterlassen sind Guerilla-Einzelkämpfer!“.
„Tja,“ sage ich „dann gehen wir unseren Weg wohl Hand in Hand. Denn beides ist unerlässlich: die Missstände im Hier und Jetzt zu ändern und die heranwachsenden Generationen zu lehren, die jetzigen Wege nicht als richtig anzusehen!“

Der Jetzt-Check: es ist inzwischen 02:52 in der Nacht zum 20. Januar 2012.
Eines ist mir zur aufreibenden Gewissheit geworden: mein Leben als - neuerdings vegane - Sängerin und angehende Hundetrainerin, die der Massentierhaltung und somit der vorherrschenden Fleisch-, Milch- und Käseindustrie sowie allen damit verbundenen politischen und gesetzlichen Organisationen entschlossen den Krieg erklärt hat, wird zur größeren Herausforderung als alle Jobs, Ängste, Beziehungen, Depressionen, Freundschaften, Burnouts, Familienbande, Schlafstörungen und therapeutischen Maßnahmen zur Verarbeitung von psychischen und physischen Misshandlungen, die ich je zu meistern hatte...

Anmerkungen des Autors:

Ich habe heute Abend nachdem ich von dem, im ersten Kapitel beschriebenen Treffen nach Hause kam, einfach angefangen zu schreiben. Mein erstes Kapitel meines ersten Buches! Seit nunmehr zwei Wochen lebe ich vegan und habe beschlossen meinen Weg - vor und nach der Veränderung zur Veganerin - nieder zu schreiben.
Ich würde mich sehr über aufrichtige Kommentare und Leser freuen, die mich auf diesem aufregenden, neuen Weg begleiten. Ich werde jede Woche ein weiteres Kapitel hinzufügen, bis das Werk vollendet ist.. ending unplaned.

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